Bericht: Badische Zeitung, vom 27.August 2010 ; Verfasser: 

Närrisches Wiedersehen unter neuem Dach

Präsident Berthold Schneider und sein Team sammeln in der Europäischen Narrenvereinigung alte Weggefährten in Sachen Fasnet.

WYHL. Die Pflege des schwäbisch-alemannischen Fastnachtsbrauchtums hat sich die Europäische Narrenvereinigung (ENV) Baden-Württemberg auf die Fahnen geschrieben. Gegründet wurde der Verband Anfang Mai in Forchheim, seit Juli ist die Vereinigung im Vereinsregister beim Amtsgericht Kenzingen eingetragen und die Gemeinnützigkeit wurde vom Finanzamt Emmendingen auch schon bestätigt. Die Mitgliederzahl wächst rasant, doch das verwundert kaum, denn in der ENV finden viele Narrenzünfte und Gruppen wieder zusammen, die den Landesverband Baden-Württemberg Süd der Föderation Europäischer Narren (FEN) gebildet hatten.

Am deutlichsten wird dies beim Blick aufs Präsidium der ENV: Es entspricht dem ehemaligen Führungsteam des FEN-Landesverbands, das im Frühjahr geschlossen zurückgetreten war. Präsident der Europäischen Narrenvereinigung Baden-Württemberg ist Berthold Schneider aus Wyhl, Vizepräsident Eberhard Lauenroth aus Schwanau, Generalsekretärin ist Michaela Schneider aus Wyhl und Schatzmeisterin Gesine Hesse aus Forchheim.

Unzufriedenheit mit der Arbeit des FEN-Bundesverbands nennt Schneider im BZ-Gespräch als Grund für den Austritt und die Gründung einer eigenen Vereinigung. Der Landesverband sei gut geführt worden, aber auf Bundesebene immer wieder von anderen Verbänden behindert worden. Reibungspunkte habe es viele gegeben. Als ein wesentliches Beispiel nennt Schneider die Aufnahmepraxis bei neuen Zünften. Der Landesverband habe Wert auf Qualität und eine Verwurzelung des örtlichen Brauchtums gelegt, doch der Bundesverband habe das Recht auf Auswahl der Beitrittskandidaten nicht mehr zugestanden. Schneider: "Wir wollen Qualität und Mitgliedsvereine, mit denen man sich sehen lassen kann, aber keine Sauf- und Partyclubs."

Als die Meinungsverschiedenheiten zwischen Landes- und Bundesverband unüberbrückbar waren, kam es zum Bruch. 50 bis 60 Vereine aus dem Landesverband, dem damals 163 Vereine und rund 50 Einzelmitglieder angehörten, hätten daraufhin spontan signalisiert, mit ihrem bisherigen Führungsteam weitermachen zu wollen, so Schneider. 44 Gründungsmitglieder waren dabei, als im Mai die ENV aus der Taufe gehoben wurde. Inzwischen steuere man bereits die Marke von 100 Vereinen an, dazu kommen zahlreiche Einzelmitglieder. Wenn die bisherigen FEN-Mitgliedszünfte im Herbst getagt haben, rechnet Schneider mit weiterem Zuwachs. Rund 50 Zusagen habe er bereits, so dass sich der bisherige FEN-Landesverband weitgehend unter dem neuen Dach wieder finde. Der ENV-Präsident wertet dies als Vertrauensbeweis, Ansporn und Verpflichtung.

"Gute Kontakte zu Verbänden in Frankreich, Belgien und den Niederlanden"


Das Kapitel FEN ist für ihn und sein Führungsteam inzwischen auf Bundesebene endgültig beendet. Zum 1. August habe man alles rund um den Landesverband ordnungsgemäß an den Verband Baden-Württemberg Nord übergeben. Kooperieren werde man auch in Zukunft mit der FEN, so Schneider, allerdings mit der FEN Europa. Denn auch als eigenständige Vereinigung wolle man den europäischen Gedanken aufnehmen und weiterentwickeln und den Mitgliedern die Türen zu anderen Ländern öffnen – insbesondere durch Jugendbegegnungen. Zu einigen Verbänden in Frankreich, Belgien und den Niederlanden habe man bereits gute Kontakte.

Unterstützen will die Vereinigung ihre Mitglieder auch bei Aufbau und Pflege regionaler wie überregionaler Kontakte. Vereinen und kleineren Narrenvereinigungen bietet der Verband über einen Rahmenvertrag auch die Chance auf Rabatte bei der GEMA. Auch die ehrenamtliche Arbeit will die ENV künftig in Zusammenarbeit mit dem Land stärker herausstellen und angemessen würdigen. Bei der Brauchtumspflege sieht Schneider jede einzelne Mitgliedszunft und -gruppe vor Ort selbst in der Pflicht. Die Vereinigung wolle nicht als öffentlichkeitswirksam mahnende Brauchtumswächterin auftreten, werde aber nicht dulden, wenn jemand aus der Rolle falle.

Obwohl inzwischen selbst aus benachbarten Bundesländern Anfragen von Zünften da seien, wolle man eine auf Baden-Württemberg bezogene Vereinigung bleiben, betont Schneider. Den Gastvereinen empfiehlt die ENV daher die Gründung eigener Verbände.